Vor einiger Zeit erzählte mir ein Bekannter, dass er an der Bushaltestelle statt auf den Fahrplanaushang lieber über sein Smartphone auf den Webseiten des örtlichen ÖPNV nachschaut, wann sein nächster Bus kommt. Ein Beispiel dafür, dass das Netz dank internettauglicherer Hardware, Software und erschwinglich werdender Internet-Flatrates stetig mobiler wird. Und mit dem Netz auch die E-Mail. Was bedeutet dies für E-Mail-Marketer?
0. Die Mobile Email Landschaft
Ich habe mal – um mir als Handy- und Smartphone-Nulpe ein Mini-Bild zu machen – am Freitag eine firmeninterne Polldaddy-Umfrage “Lest ihr auch schon mal E-Mails unterwegs mit dem PDA, Smartphone, iPhone, …?” rumgeschickt. Das Ergebnis mit n = 30 Internetjunkies 😉 ) ist ausgewogen: 47% lesen E-Mails auch unterwegs, 53% nur zuhause auf dem Heim-PC. Interessant waren auch die direkten E-Mail-Antworten. Sinngemäß:
- private Mails lese ich meist zuerst auf einem Mobilgerät, weil ich nicht erst einen Rechner booten muss.
- Ich lese entweder auf dem iPhone oder auf dem Nokia E71 mit ProfiMail.
- Ich nutze mein Smartphone aber aufgrund des Datenvolumens nicht für Newsletter.
- Ich lese dabei über den Webmailer auf einem Nokia-Handy mit Opera Mini.
- …
(merci an meine Kollegen fürs Feedback 🙂 )
Wie sieht die Mobile Email Marketing-Landschaft aus? Kurz und knapp: sehr sehr heterogen. Es gibt
- keine wirklichen Standards (XHTML Mobile Profile?),
- unterschiedliche Betriebssysteme (Symbian OS, Windows Mobile, Blackberry OS, Android, Mac mobile OS X, Palm OS, webOS, Maemo, …) in verschiedenen Versionen
- verschiedene Hersteller (Apple, HTC, Samsung, Nokia, Blackberry/RIM, Sonry Ericsson, Mororola, LG, …) und Modelle,
- unterschiedliche Auflösungen (480 x 320 über iPhone und Palm Pre, 260 x 240, 320 x 240, … ) von Gerät zu Gerät und auch pro Gerät in vertikaler und horizontaler Ansicht verschieden; eine schöne Übersicht findet sich unter [2]
- unterschiedliche HTML- sowie Text-Darstellungsmöglichkeiten (zum Beispiel sind die Darstellungsfähigkeiten von HTML-E-Mails bei den meisten Smartphones – außer iPhone und Palm Pre – immer noch sehr mager; Symbian-Smartphones rendern nur den Text aus HTML-E-Mails und zeigen keine anklickbaren Links, wenn diese nicht als “http://www.beispiel.de” ausgeschrieben wurden – man beachte hierbei, dass Symbian als Betriebssystem Studien zufolge einen Marktanteil von fast 50% hat[3]),
- unterschiedliche Nutzer (siehe meine Umfrage oben) und
vermutlich ein neues Nutzerverhalten. 52% nutzen ein E-Mail-Postfach für Smartphone und Heim-PC.[1] Ihre E-Mail-Empfänger werden nicht nur zunehmend unterwegs E-Mails lesen, sondern hier mitunter auch schon einmal diejnigen E-Mails löschen, die nicht auf den ersten Blick (= Absender-Name & Betreffzeile!) im mobile Posteingang als relevant erscheinen, um so abends am Heim-PC nur noch die relevanten E-Mails zu lesen, die nicht gelöscht wurden.
Als E-Mail-Marketer können wir uns drehen und wenden wie wir wollen – früher oder später müssen wir uns wohl Gedanken über die Darstellung unserer Newsletter im Mobile-Posteingang machen… Zunächst sollten wir dabei aber anhand des Anteils der Smartphone-Nutzer im E-Mail-Verteiler überlegen, ob dieser Zeitpunkt zwingend “heute” sein muss:
1. Anteil Smartphone-Leser eruieren
Lesen überhaupt so viele Nutzer ihre E-Mails unterwegs, sodass eine Optimierung in diese Richtung Sinn macht? Fünf Ansatzpunkte, um dies herauszufinden wären
- In der Nutzerpräferenzen-Verwaltung neben “Möchten Sie den Newsletter in HTML- oder Text-Format?” noch einen weiteren Punkt “Lesen Sie den Newsletter auch auf einem Smartphone?” hinzufügen. Ggf. mit einem Freitext-Feld “… wenn ja: auch welchem?“, um im Nachhinein ganz gezielt auch etwaige überwiegend genutzte Systeme optimieren zu können.
- Einen Pre-Header-Link “Lesen Sie den Newsletter auf einem Smartphone?” ganz oben in der E-Mail neben dem Onlineversion-Link platzieren, der bei Darstellungsfehlern geklickt wird. Anhand der Klickzahl auf diesen Link kann in etwa geschätzt werden, ob das Thema eine gewisse Relevanz besitzt.
- Eine Umfrage (vgl. Beispiele von Anna Yeaman) “Nutzen Sie mobile Endgeräte zum Lesen des Newsletters?” in der E-Mail platzieren.
- Den Öffnungspixel modifizieren und anhand von User-Agent und Referrer schauen, ob mit mobile Engeräten die E-Mails geöffnet werden (vgl. vorangegangener Beitrag zur Vorgehensweise)
- Einen Blick in die Web-Analyse-Software werfen und ggf. schauen, welche Bildschirmauflösungen und Betriebssysteme die Website-Besucher (bzw. die Website-Besucher, die durch ihren Newsletter-Versand generiert wurden – vgl. vorangegangenen Beitrag für eine Integration mit Google Analytics) nutzen, um Anhaltspunkte zu erhalten.
2. Ggf. Smartphone-optimierte Inhalte anbieten
Für die wohl breite Mehrheit der Versender, die bei der Adresserhebung oder im Zeitablauf noch keine Darstellungs-Präferenzen der Nutzer (HTML? Text? Mobile?) erheben, anbei 3 Vorschläge, die ich in der Praxis wahrgenommen habe:
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Mobile-Link zur Plain-Text-Variante des Newsletters am Beispiel Smith-Harmon.com
Plain-Text-Version des Newsletters
Ein Link “Smartphone-/Text-Version” im Kopfbereich des Newsletters bietet sich an, da die Plain-Text-Inhalte – sofern Multipart-E-Mails bestehend aus einem HTML- und einem Text-Teil versendet werden – bereits vorliegen. Hierbei gilt es dann nur noch, die Inhalte in Text-Form für einen Aufruf über den Webbrowser verfügbar zu machen – z. B. indem die Textvariante einfach auf den Server hochgeladen und im Newsletter verlinkt wird (vgl. jüngsten Beitrag “Create a mobile version of your next campaign” im ReturnOnSubscriber-Blog; bitte Abmelden-Möglichkeit auch über die statisch hinterlegte Text-Variante sicherstellen!). Eine Verlinkung der Form “Mobile-/Text-Version: http://short.ly/SH0196” kostet zwar mehr Platz, ist aber der Variante “Mobile-/Text-Version” eventuell vorzuziehen, da sonst der Link auf dem Symbian-Smartphone mitunter nicht anklickbar ist.
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Dedizierte Mobile-Variante eines Newsletters am Beispiel Orvis
“Simple-HTML“-Variante des Newsletters
Hierbei wird für den Newsletter neben der HTML- und der Plain-Text-Variante noch eine weitere Mobile-Version in HTML produziert. Der HTML-Code ist dabei möglichst simpel – keine Grafiken, einspaltige Tabelle mit ca. 350px Breite, keine unwändigen Schrift-Formatierungen und klarer Fokus auf die Primärbotschaft des Mailings, um eine schnelle Ladezeit und gute Darstellung zu begünstigen. Die Variante kann ebenso auf dem Server hinterlegt und verlinkt werden.
- Link auf die Mobile-Website
Für Versender, die bereits eine mobile Webpräsenz besitzen wäre möglicherweise auch die Verlinkung zu dieser Webseite in Erwägung zu ziehen:

Link zur mobile Webpräsenz am Beispiel CIO
Alle 3 Varianten sind sicher nicht optimal, da ein zusätzlich Klick inklusive Ladezeit erforderlich ist, um die E-Mail-Inhalte wahrnehmen zu können, ggf. zusätzliche Kosten beim Nutzer für den Datentransfer anfallen und der User in eine neue Umgebung (= Browser) gelenkt wird. Immerhin die Hälfte der Nutzer unterhält Untersuchungen zufolge eine dedizierte E-Mail-Adresse für das Smartphone[1]. Daher wäre die ergänzende Erhebung individueller Nutzerpräferenzen (HTML? Text? Mobile?) bei der Datengenerierung oder im Zeitablauf und der Versand von speziell gestalteten Mobile-Newslettern empfehlenswert, sofern der Anteil der mobilen Leserschaft groß genug ist.
3. Gestaltungs-Tipps
- Halten Sie das Gewicht der mobile-optimierten E-Mail gering (< 20kb)
- Setzen Sie auf einspaltige Tabellen-Layouts mit geringer Breite (eine Festlegung der Tabellenbreite auf 350px sollte ausreichen)
- Kurze Links
- Links voll ausschreiben (“hallo.de: http://hallo.de” statt “hallo.de“)
- Grafiken vermeiden; wenn doch, dann mit alt-Texten platzieren da einige Systeme Bilder standardmäßig unterdrücken (z. B. Windows Mobile 6), andere standardmäßig anzeigen (z. B. iPhone).
- Keine Links auf Grafiken setzen, da diese auf älteren Geräten die Lesbarkeit nahezu unmöglich machen
- Betreff und Absender optimieren und nach Möglichkeit testen, um solche Dinge 😉 zu vermeiden und nicht zuletzt auch damit die E-Mails unterwegs nicht beim Scannen des Posteingangs gelöscht und abends ggf. zuhause noch gelesen werden
(Die Anzahl der dargestellten Zeichen bei fast 30 Endgeräten wurde in der Studie “Mobile E-Mail-Marketing 2010” untersucht: mobile-email-studie.de.)
Fußnoten
[1] Vgl. Studie “Mobile Email De-Mystified” von Pivotal Veracity und ExactTarget von 05/2009, S. 10, Download: http://www.pivotalveracity.com/images/stories/PDFs/mobile_email_-_pivotal_veracity_and_exact_target_for_mediapost_email_insider_summit.pdf [pdf, 29 Seiten, 7.5mb]
[2] Vgl. hierzu die Übersicht in der Studie “Mobile E-Mail-Marketing 2010” von Saphiron & Artegic, 09/2009, S. 46, Download: http://www.mobile-email-studie.de [pdf, 55 Seiten, 6mb]